
Besuch vom Bescherkind
Sorbische Bräuche der Weihnachts- und Winterzeit sind am Freitag vor dem 4. Advent auf dem Altmarkt zu erleben.
Die Lausitz ist die Heimat der Sorben. Zweisprachige Wegweiser und Ortsschilder kennzeichnen ihr Siedlungsgebiet in der sächsischen Oberlausitz und der benachbarten Niederlausitz im Land Brandenburg. Neben ihrer Sprache haben sich die Menschen hier viele Bräuche und Traditionen bewahrt. Vor allem in den Dörfern sind diese bis heute lebendig.
Sorbische Winter- und Weihnachtsbräuche können Striezelmarktbesucher am 18. Dezember kennen lernen. Dann ist die Brauchtumsgruppe „Krabat“ e.V. Schwarzkollm zu Gast auf dem Altmarkt, um Weihnachtsgrüße aus der Lausitz zu überbringen. Chor und Tanzgruppe aus dem Krabat-Dorf treten in ihren Trachten auf. Es sind die Trachten der evangelischen Sorben aus der Gegend um Hoyerswerda – eine von elf Regionen, in die sich das sorbische Trachtengebiet unterteilt. Die kunstvoll genähten und bestickten Röcke, Schürzen, Hauben, Tücher und Bänder werden von den Frauen und Mädchen zu verschiedenen Anlässen getragen.
Foto: Brauchtumsgruppe „Krabat“ e.V.
Winterabende in der Spinte
Bei den Sorben beginnt die Vorweihnachtszeit bereits im Spätherbst mit der Spinte. So nennt man die Spinnstuben, in denen sich junge ledige Mädchen des Dorfes trafen, um zu spinnen oder andere Handarbeiten zu verrichten. Mitgebrachte Spinnräder und Flachs werden die Striezelmarktbühne in eine solche Spinnstube verwandeln, wo gesungen und getanzt wird. „Die Spinte – sorbisch: pśeza – spielte für das soziale und kulturelle Leben der Sorben früher eine wichtige Rolle“, erklärt Hans-Wolf Erdmann von der Brauchtumsgruppe aus Schwarzkollm. „War im Herbst die Ernte eingebracht, versammelten sich die unverheirateten Mädchen allabendlich zur Spinte.“ Dort waren sie unter sich. Während sie gemeinsam Flachs oder Wolle verspannen, erzählten sich die jungen Frauen Sagen und Geschichten oder sangen Volkslieder und Choräle. Auch wurden bei den winterlichen Zusammenkünften viele der Festlichkeiten vorbereitet und gestaltet. Kurz vor Weihnachten kleideten sie das älteste der Mädchen oder eines, das bald heiratete, als Bescherkind an.
Es trägt traditionell eine Hochzeitstracht, allerdings mit einem Schleier vor dem Gesicht. Wer sich dahinter verbirgt, ist ein großes Geheimnis. Deshalb bekommt es zwei Helferinnen zur Seite – ebenfalls in sorbischer Tracht –, die das Sprechen übernehmen und beim Verteilen von Gaben helfen. So gingen sie früher gemeinsam von Haus zu Haus, um vor allem den Kindern armer Leute eine Freude zu machen. Das Bescherkind trägt eine Rute bei sich, verteilt kleine Gaben wie Süßigkeiten oder Früchte und will den Bewohnern Glück und Segen und Gesundheit bringen. Diese Tradition ist auf dem Striezelmarkt hautnah zu erleben.
Weihnachtsmonat Dezember
In einigen Dörfern wird am 4. Dezember der Heiligen Barbara (Swjata Borbora) und am 6. Dezember des Heiligen Nikolaus (Swjaty Mikławš) gedacht. Am Vorabend des Namenstages geht eine als Barbara verkleidete Frau in die Häuser und bringt den Kindern Geschenke. Sie erscheint im weißen Kleid, das Gesicht hinter einem Schleier verborgen. Der Heilige Nikolaus kommt am Abend des 5. Dezember als Bischof gekleidet mit zwei Begleitern (die rumpodicho – Weihnachtsmänner). Vor der Haustür kündigt er sich mit einem klingelnden Glöckchen an. Haben die Kinder in der Stube ihm ein Lied oder Gedicht vorgetragen, erhalten sie als Belohnung ein kleines Geschenk.
Mit dem Weihnachtsfest beginnen auch die sogenannten Raunächte, die bis zum 6. Januar, dem Fest der Heiligen Drei Könige, gehen. Während dieser Zeit wurden gleichfalls spezielle Rituale gepflegt. So mussten hauptsächlich in der Silvesternacht durch Geschrei und Böller die bösen Geister vertrieben werden. Nach diesen Raunächten ging die Arbeit in den Spintestuben weiter. Nun waren auch Tanzvergnügungen, die Spintebälle, fest eingeplant.
Doch zurück zum Striezelmarkt. „Neben den Weihnachtsbräuchen stellen wir das ‚Neujährchen‘ und die ‚Kindervogelhochzeit‘ vor“, sagt Hans-Wolf Erdmann. „Zu Neujährchen werden in Kindergärten und Schulen Tierfiguren gebacken, um sie an die Paten zu verschenken, vor denen auch ein Spruch aufgesagt oder ein Lied vorgetragen wird.“ Früher gaben die Bauern ihren Tieren am Neujahrstag solches Gebäck zu fressen in dem Glauben, sie damit gesund zu erhalten.
Wer wissen will, was es mit der Vogelhochzeit auf sich hat, kann auch das von den Gästen aus erster Hand erfahren. Sogar in sorbischer Sprache, denn das Programm wird auf Deutsch und auf Sorbisch moderiert.